Wer pflegebedürftig und entsprechend versichert ist, hat Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung. Ob und wie viele Leistungen man bekommt, hängt zum einen davon ab, wie man gepflegt wird – z.B. zu Hause oder in einem Heim – und welchen Pflegegrad man hat. Ein verweigerter oder zu niedrig eingestufter Pflegegrad kann schnell einen Unterschied von mehreren Hundert Euro im Monat ausmachen.
Als Fachanwalt für Sozialrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht begleitet Roland Tilch Mandanten aus Fürth, Nürnberg und der Region bei allen Angelegenheiten rund um die Pflegeversicherung: Das schließt sowohl den Pflegegrad-Widerspruch als auch die Vertretung vor dem Sozialgericht ein. Auf Wunsch begleiten wir unsere Mandanten auch bereits bei der Beantragung des Pflegegrads oder bei der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst bzw. Medicproof.
Bis zu einer Reform 2017 gab es 3 Pflegestufen, die sich am nötigen Zeitaufwand für die Pflege orientierten. Seitdem ist der Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad) das Maß dafür, ob und wie viel Unterstützung Betroffene von den Pflegekasse bekommen. Die Einteilung richtet sich danach, welche Fähigkeiten die pflegebedürftige Person noch besitzt. In verschiedenen Bereichen werden dafür Punkte vergeben, wobei der wichtigste Aspekt die Fähigkeit ist, sich im Alltag selbst zu versorgen. Es werden 0 bis 100 Punkte vergeben. Daraus ergeben sich dann die Pflegegrade nach § 15 (3) SGB XI:
Pflegegrad 1 oder höher ist die Grundvoraussetzung dafür, überhaupt Leistungen von der Pflegekasse zu bekommen. Viele dieser Leistungen sind dann unabhängig vom Pflegegrad, beispielsweise die Bereitstellung von Hilfsmitteln. Andere Leistungen wie das Pflegegeld bei häuslicher Pflege, Pflegesachleistungen für ambulanten Pflegedienst, Leistungen für teilstationäre Pflege (Tagespflege, Nachtpflege) oder Leistungen für vollstationäre Pflege steigen mit dem Pflegegrad an.
Der Pflegegrad darf dabei nicht verwechselt werden mit anderen Themen wie dem Grad der Behinderung, dem Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente oder auf eine Berufsunfähigkeits-Rente. Diese korrelieren zwar miteinander, bewerten die betroffene Person jedoch aus unterschiedlichen Perspektiven. So kann es sein, dass jemand Pflegegrad 1 hat aber keinen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente oder BU-Rente, weil er seinem – auch bisher am Computer im Homeoffice ausgeübten – Beruf weiter in Vollzeit nachgehen kann.
Gut zu wissen: Für die Festlegung des Pflegegrads kommt es nicht auf die Ursache der Pflegebedürftigkeit an. Neben körperlichen Einschränkungen (z.B. durch Krebs, Herzinfarkt, COPD, Long Covid, Querschnittslähmung, Blindheit, Schlafapnoe, Schwerhörigkeit) können daher auch psychische Probleme (z.B. Demenz, Alzheimer, ADHS, Depressionen) dazu beitragen, einen Pflegegrad zu bekommen.
Einen Pflegegrad und die Leistungen aus der Pflegeversicherung erhält man nicht automatisch, sondern nur auf Antrag. Die Leistungen werden – sofern sie genehmigt werden – ab dem Datum des Antrags rückwirkend gezahlt. Tritt eine Pflegebedürftigkeit ein, sollte man daher möglichst schnell den Antrag auf einen Pflegegrad bei der eigenen Pflegekasse (z.B. AOK, BKK, TK, Barmer, DAK, IKK, KKH, Knappschaft) bzw. bei der privaten Pflegeversicherung (z.B. Debeka, DKV, Barmenia, Ergo, Generali, Axa, R+V) stellen.
Die Pflegekasse hat in der Regel innerhalb von 25 Tagen ab Antragseingang einen Bescheid zu erstellen. Daher schickt sie normalerweise relativ kurzfristig einen Gutachter des Medizinischen Dienstes zur Begutachtung. Bei den privaten Pflegeversicherungen übernimmt diese Aufgabe meist ein Gutachter von Medicproof. Die Begutachtung findet in der Regel beim Antragsteller zu Hause statt bzw. in dem Heim oder Krankenhaus, in dem er sich aufhält. In manchen Fällen findet die Begutachtung telefonisch statt. Das erstellte Gutachten dient der Pflegekasse oder privaten Pflegeversicherung als Basis für ihre Entscheidung. Allerdings kann sie von den Empfehlungen des Gutachtens abweichen und in ihrem Bescheid auch einen abweichenden Pflegegrad festlegen.
Wird der Antrag auf einen Pflegegrad abgelehnt oder ein zu niedriger Pflegegrad festgesetzt, kann der Betroffene dagegen Widerspruch einlegen. Das gilt auch, wenn ein späterer Bescheid zu einer nachträglichen Rückstufung führt.
Für einen Widerspruch gegen den Pflegegrad-Bescheid haben Betroffene ab der Zustellung einen Monat Zeit. Der Pflegegrad-Widerspruch hat per Post und eigenhändig unterschieben zu erfolgen. Wichtig ist, dass der Widerspruch gut begründet wird. Zur Fristwahrung reicht es aber, wenn zunächst der Widerspruch eingereicht und dabei das Nachreichen einer Begründung angekündigt wird.
Für die Begründung des Widerspruchs gibt es verschiedene Ansatzpunkte. Hier ein paar Beispiele:
Bei der Erstellung des Pflegegrad-Widerspruchs und der Begründung sollten sich Antragsteller und begleitende Familienangehörige darüber bewusst sein, dass die Gegenseite in der Regel einen erheblichen Wissens- und Erfahrungsvorsprung hat. In vielen Fällen ist es daher sinnvoll, sich spätestens für den Widerspruch professionelle Unterstützung zu sichern.
Die Pflegekasse hat 3 Monate Zeit, um über den Widerspruch zu entscheiden. Oft wird in dieser Zeit ein Widerholungsgutachten beauftragt. Dieses baut nicht auf dem ursprünglichen Gutachten auf, sondern fängt wieder von vorne an. Aspekte, die in der Begründung des Pflegegrad-Widerspruchs aufgeworfen wurden, werden aber in der Regel besonders untersucht.
Gibt die Pflegekasse dem Widerspruch statt, erhält der Betroffene die höheren Leistungen rückwirkend ab Antragstellung. Lediglich bei einer Verschlechterung der Gesundheit während des Verfahrens werden die höheren Leistungen erst ab dem Zeitpunkt der Verschlechterung gezahlt.
Lehnt die Pflegekasse auch den Widerspruch ab, können Betroffene Klage beim Sozialgericht einreichen. Hier fallen zwar keine Gerichtskosten an, Kosten für Anwälte oder Gutachter können aber trotzdem entstehen.
Obwohl die Kriterien für die Zuweisung eines Pflegegrads weitgehend standardisiert sind, gibt es hier viele Punkte, bei denen abgewogen oder subjektiv entschieden wird. Daher sind die Erfolgsaussichten für einen Pflegegrad-Widerspruch relativ gut. Das gilt besonders, wenn nur wenige Punkte für den gewünschten Pflegegrad fehlen oder wenn der Bescheid der Pflegekasse dem Gutachten des Medizinischen Dienstes widerspricht.
Formale Fehler sind oft recht offensichtlich und führen daher meist zu guten Erfolgsaussichten für einen Widerspruch. Allerdings erstellt die Pflegekasse dann in der Regel nur einen neuen, den Formvorschriften entsprechenden Bescheid. Daher führen Formfehler meist nur zu einer Verlängerung des Verfahrens.
Bei einer starken Verschlechterung des Zustands des Betroffenen stehen die Erfolgsaussichten für einen Widerspruch ebenfalls recht gut. Hier sollte man allerdings abwägen, ob es nicht sinnvoller ist, einen neuen Antrag zu stellen und den ursprünglich beschiedenen Pflegegrad für die Vergangenheit zu akzeptieren.
Gut zu wissen: Der Weg zum Sozialgericht steht Betroffenen normalerweise erst offen, wenn gegen den vergebenen Pflegegrad Widerspruch eingelegt und dieser Widerspruch abgelehnt wurde. Wer ohne vorherigen Widerspruch direkt gegen den ursprünglichen Pflegegrad-Bescheid klagt, hat keine Erfolgsaussichten.
Roland Tilch
Roland Tilch ist sowohl Fachanwalt für Sozialrecht als auch Fachanwalt für Versicherungsrecht. Damit ist er in unserer Kanzlei der ideale Ansprechpartner für einen Pflegegrad-Widerspruch – egal ob bei der gesetzlichen Pflegekasse oder einer privaten Pflegeversicherung.